Hier nochmal kurz die geometrische Fragestellung A zum Billardspiel (mehr Details und eine weitere mathematische Fragestellung B in meinen Blogeintrag von letzter Woche):
Jan und Krista wollten sich für ihr zweites Billardspieltreffen etwas vorbereiten und einige einfache Kugelbewegungen ohne Effet explorativ auf einem Blatt Papier untersuchen, um so ihr räumliches Vorstellungsvermögen zu trainieren und ein besseres Auge für die richtige Stoßrichtung zu haben.
Sie haben bereits vor kurzem die physikalische Hauptgrundlage des Billardspiels kennengelernt - das Reflexionsgesetz -, und möchten nun folgendes klären:
Fragegruppe A: Wie kann man leicht die richtige Stoßrichtung in folgende drei Fälle ohne Effet herausfinden und auf einen Blatt Papier einzeichnen? Und zwar ohne rumprobieren, so wie ein erfahrener Billardspieler sie gedanklich herausfindet.
Fall 1 - Billardstoß über eine Bande |
Fall 2 - Billardstoß über 2 Banden |
Fall 3 - Billardstoß über 3 Banden |
Hängt der Schwierigkeitsgrad der Realisierung von der Auswahl der Banden? Könnte man vielleicht den Stoß in Fall 3 nicht einfacher über eine andere Bandenreihenfolge realisieren? Warum?
Hier eine mögliche Vorgehensweise zur Lösung:
Wir können erstmal von der weißen Kugel aus eine Strecke zu einem beliebigen Punkt im mittleren Bereich der rechten Innenbande zeichnen, den Winkel zwischen dem einfallenden Laufweg und der Innenbande messen und dann den Laufweg nach dem Stoß an der Wand durch Übertragen des gemessenen Winkels einzeichnen. Der Ausfallswinkel ist ja gemäß dem Reflexionsgesetz gleich dem Einfallswinkel.
Da wir es nicht geschafft haben, die rote Kugel mit unserem eingezeichneten Laufweg zu treffen, müssen wir die Stoßrichtung etwas ändern und auf der gleichen Weise den neuen Laufweg nach dem erneuten Abprallen finden.
Abb.4 - Suche nach dem richtigen Einfallswinkel |
Durch systematisches Verändern des Einfallswinkel können wir zuletzt die richtige Stoßrichtung finden.
Abb. 5 - Jetzt haben wir es geschafft! Der mittlere Laufweg der weißen Kugel trifft die rote Kugel in der Mitte |
Wir sind aber mit diesem Verfahren nicht zufrieden. Wir wollten ja ohne rumprobieren die richtige Stoßrichtung finden! Wir müssen also etwas weiter in der Untersuchung vordringen und uns etwas einfallen lassen...
Nebst dem Reflexionsgesetz haben wir sicherlich schon einige weitere Erkenntnisse der Optik im Physikunterricht der Schulstufen 7/8 gewonnen und vielleicht erinnern wir uns auch noch, wie ein Bild bei einem ebenen Spiegel entsteht:
Abb.6 - Bildentstehung beim ebenen Spiegel |
Wie aus Abbildung 6 ersichtlich ist, werden alle von einem Punkt P auf einen ebenen Spiegel fallende Strahlen gemäß dem Reflexionsgesetz reflektiert und so, als ob sie von einem zu P in Bezug auf dem Spiegel symmetrischen Punkt P' kämen. P' ist das Bild von P, das wir im Spiegel sehen.
Abbildungen 5 und 6 sind sehr ähnlich, vor allem, wenn wir die divergierende Laufwege der weißen Kugel nach hinten verlängern und am Konvergenzpunkt ein Bild der weißen Kugel denken/einzeichnen:
Abb. 7 - Verlängerung nach hinten der divergierende Laufwege und Lage der gedachten Bilder der zwei Kugeln |
Diese Ähnlichkeit ist nicht verwunderlich, da ja beide Abbildungen (Abb. 6 und Abb. 7) das Reflexionsgesetz illustrieren. Der Laufweg ist außerdem umkehrbar (rot soll weiß treffen) und wir können uns dementsprechend auch ein Spiegelbild der roten Kugel denken.
Mit dieser Erkenntnis können wir die Suche nach der richtigen Stoßrichtung sehr vereinfachen. Man muss sich einfach das Spiegelbild der roten Kugel denken und sie dann anspielen, um die rote Kugel zu treffen. Hier eine Skizze zum Spiel über eine Bande (Fall 1):
Abb.8 - Skizze zur Spiegelung der roten Kugel bei einem senkrecht stehenden Spiegel und Illustration des Spiels über eine Bande |
Fall 2:
Um einen Stoß über zwei Banden erfolgreich zu spielen, müssen wir das Spiegelbild der roten Kugel nochmals an der zweiten anzuspielenden Bande spiegeln:
Abb 9 - Skizze zur Spiegelung der roten Kugel an zwei senkrecht stehende Spiegel/Ebenen und Illustration des Spiels über zwei Banden |
Abb. 10 - Skizze zum Spiel über zwei Banden |
Diese Auffaltung des Laufweges in einem Gitter rechteckiger Billardtisch-Spiegelbilder ist auch besonders praktisch für eine graphische bzw. visuelle Untersuchung der verschiedenen Spieloptionen bei einer bestimmten Kugelkonstellation, wie in dem folgenden Fall ersichtlich wird.
Fall 3:
Bei einem Spiel über drei Banden können wir die Spiegelbild-basierte Vorgehensweise analog anwenden und erhalten folgende graphische Darstellung des Laufwegs, wenn der erste Abprall an der rechten langen Innenbande erfolgen soll:
Abb. 11 - Skizze zum Spiel über drei Banden |
Aber ist das die beste Auswahl? Könnten wir vielleicht die rote Kugel über andere drei Banden leichter erreichen? Die Gitterdarstellung aller möglichen 3-Bandspiel-Varianten (geradlinige Verbindungen zwischen W und die verschiedene dreifach gespiegelte Punkte R''') erweist sich als sehr nützlich für die Beantwortung dieser Fragen.
Aus der oberen Skizze können wir schnell entnehmen, dass einige Spielvarianten geometrisch gesehen leichter auszuführen sind. Bei der gegebenen Kugelkonstellation ist z. B. die Spielvariante lange linke (L) - obere kurze (O) - lange rechte (R) (dunkelblauer Laufweg) schwieriger auszuführen als die R-O-L-Variante (hellblauer Laufweg), weil man bei der ersten Variante die gedanklich dreifach gespiegelte rote Kugel R''' sehr leicht mit der einfach gespiegelten Kugel R' verwechsel kann.
Die zwei mittelblaue nach unten gerichtete Laufwege sind theoretisch realisierbar, aber sie zwingen dem Billardspieler eine unbequemere Körperhaltung einzunehmen, die ihm sicherlich verhindert den Stoß gut zu kontrollieren und die angebrachte Kraft aufzuwenden.
Aus Abb. 12 können wir weiterhin entnehmen, dass bei der gegebenen Kugelkonstellation ein L-O-Spiel (dunkel roter Laufweg) nicht realisierbar ist, weil die dazu genötigte Stoßrichtung mit der eines direkten Stoßes der weißen auf der roten Kugel übereinstimmt.
All diese dargestellte Beispiele zeigen, dass ein trainiertes räumliches Vorstellungsvermögen für die richtige Lokalisierung der Spiegelbilder eine hilfreiche Orientierung für jeden Spieler sind.
Die Gitterdarstellung ist ein hilfreiches graphisches Lösungsverfahren, aber nicht exakt. Um die Richtung des Anstoßes und den Aufprallpunkt der Kugel an der Bande exakt zu bestimmen, ist eine mathematische Berechnung der Kugelbahn unentbehrlich. Das werden wir im nächsten Blogeintrag (Training B) durchführen.